Texte zu den Arbeiten - texts for my works >>> english please see below
in the order of appearance
2023
*Dogs don’t cry (2023)
Hundelaufanlagen wurden an den Grenzanlagen der DDR ab Anfang der 1960er Jahre als Ersatz und Ergänzung für Selbstschussanlagen und Minenfelder installiert.
Eine Laufleinenanlage besteht aus einem zwischen zwei Böcken mannshoch gespannten Drahtseil, dem Laufseil. Je nach Gelände zwischen 50 und 100 Meter lang. An dem Laufseil hängt, mit einer Laufrolle oder einem Ring verbunden, die zweieinhalb Meter lange Laufleine des Hundes. Da sich die Laufstrecke des nächsten Hundes unmittelbar anschließt, die Hunde aber nicht aufeinandertreffen dürfen, sind vor dem jeweiligen Ende des Laufseils Stopper oder Seilklemmen angebracht. Es ergibt sich also ein Steg, eine winzige Bewachungslücke.
Morgens fährt ein Armeelaster mit Futter- und Wasserbottich die Trasse ab. Nach heißen Tagen soll eine weitere Wasserration ausgeteilt werden. Diese Order wird aber eher als Empfehlung gehandhabt und personelle Engpässe der Grenzkompanie immer zulasten der Hundestaffel behoben.
Auf den Patrouillen schützt der Hund den Grenzer davor, schießen zu müssen. Dieser Schutz und Fährtendienst geben seine unbrauchbaren Exemplare für die Trasse ab. Dort werden sie zu den Einsamkeitsgeschädigten, den nicht Schussfesten und Kaputtgehetzten hinzugefügt. Die an den Laufanlagen bereits eingesetzten Hunde sind die Mängelexemplare der Hundezucht: der Einhoder und der Zahnfehler. Mindestens aber müssen sie bellfreudig sein.
Jeder Hund erhält in der Stammrollennummer eine Wesensziffer über Schärfe, Sensibilität, Unbefangenheit und Härte. Eine Reihe wütender Hunde nebeneinander an der Trasse erschöpft sich, sodass eine Komposition für die Hundetrasse erstellt wird. Der Wütende neben dem Gelangweilten oder Sanften, wo die Dynamik des einen den Gelassenen mitreißt.
Ein Hund scheuert seinen Ring durch, schwängert die Hündinnen entlang der Trasse. Doch trächtige Hündinnen schwächen das Wachpotential. Gegen ihren wochenbettbedingten Dienstausfall gibt es den Befehl den Wurf zu töten. Abgänge durch Erhängen am Laufseil oder altersbedingtem Einschläfern, werden ersetzt mit neuen Aussortierten.
Nach der Wende finden 1500 „Trassenhunde“ in Haushalten der DDR ein neues Zuhause, 2500 vermittelt der Deutsche Tierschutzbund in der Bundesrepublik. Niemals hat einer der Hunde einen Grenzflüchtling gebissen. Auf Befehl wären die Hunde sogar mitgegangen.
Text: Jenny Alten, gekürzt nach Scherer, Marie-Luise (2013): Die Hundegrenze. Matthes & Seitz Berlin Verlag.
>>> e n g l i s h
*Dogs don't cry (2023)
Dog runs were installed at the border fortifications of the GDR starting in the early 1960s as replacements and supplements for self-propelled guns and minefields.
A running rope system consists of a wire rope stretched man-high between two trestles, the running rope. Depending on the terrain, it was between 50 and 100 meters long. The two and a half meter long running line of the dog is connected to the running rope by a running pulley or a ring. Since the running line of the next dog immediately follows, but the dogs may not meet each other, stoppers or rope clips are attached before the respective end of the running rope. A footbridge, a tiny guarding gap is unavoidable.
In the morning, an army truck with feed and water tubs drives down the running ropes. After hot days, another water ration is to be distributed. However, this order is rather handled as a recommendation and personnel shortages of the border patrol are always solved at the expense of the dog squadron.
On patrols, the dog protects the border guard from having to shoot. This “Schutz und Fährtendienst”, a division of the GDR army, gives up its useless specimens for the running ropes. There they join the lonely ones, the ones not able to shoot and the broken ones. The dogs already running the rope are the defect specimens of dog breeding: the one-hound and the tooth defect. The minimum requirement: barking.
Each dog received a character number stating its sharpness, sensitivity, impartiality and hardness A row of angry dogs next to each other exhausts itself, thus creating a composition for the dog route is necessary: The angry next to the bored or gentle, where the dynamics of one carries away the serene.
A dog scrubs through his ring, impregnates the bitches along the route. But pregnant bitches weaken the guard potential. To lessen their week-bed loss of service, the litter is killed. Departures by hanging on the running rope or age-conditioned putting to sleep are replaced with new sorted out ones.
After reunification, 1500 “Trassenhunde” find a new home in households in the GDR, 2500 are placed by the German Animal Welfare Association in the Federal Republic. Never did one of the dogs bite a border fugitive. On command, the dogs would even have followed.
Text: Jenny Alten abridged from Scherer, Marie-Luise (2013): Die Hundegrenze. Matthes & Seitz Berlin Verlag.
Zusammengeflickt – Strasse des Friedens (2023)
Stoff, Vliesfutter, Nähgarn, Kabelbinder, Nylonschnur, LEDs 6500K, Reißverschluß
Größe variabel
presse
MAZ 05_07_2023
PNN 07_07_2023
Trigger Warnung: Dieser Text enthält Gewalt und Krieg.
Ukraine, Umkreis von Rawa-Ruska, August 1941. Das Lager in Bełżec war das erste von drei Vernichtungslagern der „Aktion Reinhard“, die allein zur physischen Vernichtung von Menschen bestimmt waren. Die drei Lager wurden in abgelegenen Gebieten errichtet und verfügten über Gleisanschlüsse, so dass eine große Zahl von Menschen ohne größeres Aufsehen dorthin gebracht und getötet werden konnte. Der Hauptgrund für das Stoppen der Tötungen war die Überfüllung der Massengräber. Nach der Verwesung drückten sich die Körper durch die Erdoberfläche ins Freie. Der Gestank war überall. Seit November 1942 wurden Leichen deshalb massenhaft exhumiert und auf großen Rosten aus Eisenbahnschienen verbrannt.Im Frühjahr 1943 wurden alle Spuren beseitigt, später wurde zur Tarnung ein Bauernhof auf dem Gelände angesiedelt.
Ukraine, Butcha, April 2022. Leblose Körper liegen auf der Strasse, werden aus Massengräbern geholt und neu begraben, das Geschlecht teilweise nicht mehr identifizierbar. Die Ermittler:innen werden durch ausländische Spezialist:innen unterstützt. Am 12. April treffen Forensiker:innen vor Ort ein und die Zahl der Toten wird revidiert. Recherchen der NYtimes identifizieren das 234. Regiment als eine Tätereinheit. Die Mörder benutzten die Mobiltelefone der Opfer, um damit in Russland ihre Familien anzurufen. „These killings were not random acts of violence but part of a methodical planned and lethal operation “ NYtimes, Dezember 2022.
Die Installation zeigt weiche, halbtransparente Stoffkörper, die übereinandergestapelt im Ausstellungsraum verblassen.
Bei der Herstellung der Leichen aus Stoff folge ich den Methodiken der Skalierung und optimiere den Prozess. Die Leichen aus möglichst einfach reproduzierbaren Einzelteilen herzustellen, reduziert deren Individualität. Im Prozess des Massenmordes geht es nicht um die Einzelne. Die Massenproduktion stumpft ab. Bei Leiche 32 denke ich nicht mehr daran, dass ich tote Menschen herstelle. Die Maschine rattert. Ich nähe nur noch Arme. Das Atelier wird zu einem Sweat Shop. Zwei Praktikantinnen bewerben sich. Sie kommen aus Odessa und Charkiv. Wir sprechen über die Bedeutung der Installation auf denglisch. Meine Tochter zeigt mir, dass ich in der Anton App, mit der sie Mathe lernt, auch Ukrainisch lernen könnte. Das wäre gut, aber ich muss mehr Leichen herstellen. Der Produktionsdruck führt zu Fehlern. Die Leichen gleichen nicht mehr eine der anderen. Die Füße werden viel zu klein.
Soll ich auch Kinderleichen herstellen? Bis zu welchem Alter ist man im Krieg noch ein Kind?
Darf ich das überhaupt? Ist das Aneignung? Insgesamt flicke ich eine winzige Menge Körper zusammen.
„Als sogenannter Lebensraum und Kornkammer stand die Ukraine im Zentrum von Hitlers kolonialer Expansion nach Osten und seinem damit verbundenen Vernichtungskrieg. Die deutschen Besatzer ermordeten in der Ukraine dreieinhalb Millionen Zivilist:innen, davon mehr als eine Million jüdisch. Weitere dreieinhalb Millionen starben als Soldaten der Roten Armee oder an Kriegsfolgen… Und doch lösten die ukrainischen Städtenamen, die nun in den Nachrichten auftauchten, kaum Assoziationen aus: … Mariupol: von der Wehrmacht in Schutt und Asche gelegt. Charkiv: in den Straßen der Innenstadt die aufgehängten Partisanen, tatsächliche oder vermeintliche; tagelang hingen die Leichen da, zur Abschreckung… Als Armenhaus Europas war die Ukraine bisher ein Reservoir billiger Arbeitskraft. …
Von den Menschen, die im Zweiten Weltkrieg aus der Sowjetunion zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt wurden, stammte mehr als die Hälfte aus der Ukraine, es waren etwa zwei Millionen, oft junge Frauen. Manche verstümmelten sich, um der Deportation zu entgehen. Blonde Bläuaugige waren auf einen Befehl Hitlers eigens für deutsche Haushalte zu liefern… An manchen Tagen kamen damals so viele deportierte Ukrainerinnen in Deutschland an, wie in jüngerer Zeit Geflüchtete.“ Charlotte Wiedemann 2022 in „Den Schmerz der anderen begreifen. Holocaust und Weltgedächtnis.“
Mit Rawa-Ruska verbindet mich mein Opa, der dort von August 1941 bis Februar 1942 Kreishauptmann war, als das Lager Bełżec am Rande seines Kreises ¬– nur 30 Autominuten entfernt – gebaut wurde und dort durch wochenlanges Experimentieren und „Probevergasungen“ Massenmord und Holocaust millionenfach möglich wurde.
>>> e n g l i s h
Patched together - Road of peace (2023)
Fabric, fleece lining, sewing thread, cable ties, nylon cord, LEDs 6500K.
Size variable
Trigger warning: this text contains violence and war.
Ukraine, Rawa-Ruska area, August 1941. The camp in Bełżec was the first of three extermination camps of "Aktion Reinhardt," designed solely for the physical extermination of human beings. The three camps were built in remote areas and had railroad sidings, so that large numbers of people could be taken there and killed without much fanfare. The main reason for stopping the killings was the overcrowding of the mass graves. After decomposition, the bodies pushed their way through the surface into the open. The stench was everywhere. Therefore, since November 1942, corpses were exhumed en masse and burned on large grates made of railroad tracks.
In the spring of 1943, all traces were removed, and later a farm was settled on the site for camouflage.
Ukraine, Butcha, April 2022. Lifeless bodies lie in the street, are taken out of mass graves and reburied, the sex partly no longer identifiable. The investigators are assisted by foreign specialists. On April 12, forensic specialists arrive on the scene and the number of dead is revised. Research by the NYtimes identifies the 234th Regiment as one of the perpetrator units. The killers used the victims' cell phones to call their families in Russia. "These killings were not random acts of violence but part of a methodical planned and lethal operation " NYtimes, December 2022.
The installation shows soft, semi-transparent fabric bodies stacked on top of each other, fading into the exhibition space.
Sewing corpses out of fabric, I follow methodologies of scaling and optimizing the process. Creating the corpses from individual parts that are as easily reproducible reduces their individuality. The process of mass murder is not about the individual. Mass production dulls. At corpse 32, I no longer think about making dead people. The machine rattles. I sew only arms. The studio becomes a sweat store. Two interns apply. They come from Odessa and Kharkiv. We talk about the meaning of the installation in “Denglish”. My daughter shows me that I could learn Ukrainian in the “Anton” app she uses to learn math. That would be good, but I need to make more bodies. The pressure of production leads to mistakes. The corpses no longer resemble one another. The feet are getting way too small.
Should I also produce children's corpses? Up to what age is one still a child in war?
Am I allowed to do that at all? Is that appropriation? All in all, I cobble together a tiny amount of bodies.
"As a so-called Lebensraum and granary, Ukraine was at the center of Hitler's colonial expansion eastward and his associated war of extermination. The German occupiers murdered three and a half million civilians inside Ukraine, more than a million of them Jewish. Another three and a half million died as soldiers of the Red Army or as a result of the war... And yet the Ukrainian city names that now appeared in the news hardly triggered any associations: ... Mariupol: reduced to rubble by the Wehrmacht. Kharkiv: in the streets of the city center the hanged partisans, real or supposed; for days the corpses hung there, as a deterrent... As the poorhouse of Europe, Ukraine had hitherto been a reservoir of cheap labor. ... Of the people who were deported from the Soviet Union to Germany for forced labor during World War II, more than half came from Ukraine; there were about two million of them, often young women. Some mutilated themselves to escape deportation. Blond-eyed ones were to be delivered on an order from Hitler specifically for German households... On some days, as many deported Ukrainian women arrived in Germany at that time as refugees in more recent times." Charlotte Wiedemann 2022 in "Understanding the Pain of Others. Holocaust and World Memory."
I am connected to Rawa-Ruska by my grandpa, who was the district governor there from August 1941 to February 1942, when the Bełżec camp was built on the outskirts of his district ¬- only a 30-minute drive away - and where weeks of experimentation and "trial gassings" made mass murder and the Holocaust possible by the millions.
Installation am Bau
presse
MAZ 24_06_2021
PNN 25_06_2021
Leerstehende Etagen mit Blick aufs Wasser: ehemals genutzt von der Softwarefirma oracle nun als Sinnbild für die Notwendigkeit der Veränderung: Der auf Wachstum basierende Kapitalismus und seine Aneignung der Umwelt als Ressource sind an einen Wendepunkt gekommen. Wir Menschen können nur dann überleben, wenn wir die Umwelt, andere Spezies aber auch Objekte, Pflanzen und Maschinen einbeziehen.
Die Leerstelle zwischen der Nutzung als Büroturm wird besiedelt von einem organisch wachsenden Rhizom, das über eine neue Verflechtung der Menschen mit den Pflanzen, eine Überschreitung der Grenzen von Objekt und Lebewesen spekuliert.
Nachts von innen beleuchtet pulst das leere Gebäude organisch, während tagsüber was nachts hell scheint, strahlt jetzt dunkel. Das Kunstwerk zwischen Lichtinstallation, Malerei und Chimärenschau verändert sich über den Präsentationszeitraum.
>>> e n g l i s h
Vacant lofts with a view: what used to be humming cubicles of software company Oracle, now becomes a symbol for the need to adapt. Growth-based capitalism and it’s appropriation of nature as a resource has come to a tipping point: humans will only survive if we cooperate with plants, objects, species and machines.
The blank between two cycles of cubicle tenants will be inhabited by an organically growing rhizom that speculates on a new entaglement of humans and plants transgressing the membranes of objects and living species.
While pulsing organically as a light installation at night, at daytime inversly the bright lit roots become black structures in the painting on the glass windows.
The work oscilates between light installation, painting and chimera show, transforming over the duration and terminating by the occupation of the space by a new tenant.
in the order of appearance
2023
*Dogs don’t cry (2023)
Hundelaufanlagen wurden an den Grenzanlagen der DDR ab Anfang der 1960er Jahre als Ersatz und Ergänzung für Selbstschussanlagen und Minenfelder installiert.
Eine Laufleinenanlage besteht aus einem zwischen zwei Böcken mannshoch gespannten Drahtseil, dem Laufseil. Je nach Gelände zwischen 50 und 100 Meter lang. An dem Laufseil hängt, mit einer Laufrolle oder einem Ring verbunden, die zweieinhalb Meter lange Laufleine des Hundes. Da sich die Laufstrecke des nächsten Hundes unmittelbar anschließt, die Hunde aber nicht aufeinandertreffen dürfen, sind vor dem jeweiligen Ende des Laufseils Stopper oder Seilklemmen angebracht. Es ergibt sich also ein Steg, eine winzige Bewachungslücke.
Morgens fährt ein Armeelaster mit Futter- und Wasserbottich die Trasse ab. Nach heißen Tagen soll eine weitere Wasserration ausgeteilt werden. Diese Order wird aber eher als Empfehlung gehandhabt und personelle Engpässe der Grenzkompanie immer zulasten der Hundestaffel behoben.
Auf den Patrouillen schützt der Hund den Grenzer davor, schießen zu müssen. Dieser Schutz und Fährtendienst geben seine unbrauchbaren Exemplare für die Trasse ab. Dort werden sie zu den Einsamkeitsgeschädigten, den nicht Schussfesten und Kaputtgehetzten hinzugefügt. Die an den Laufanlagen bereits eingesetzten Hunde sind die Mängelexemplare der Hundezucht: der Einhoder und der Zahnfehler. Mindestens aber müssen sie bellfreudig sein.
Jeder Hund erhält in der Stammrollennummer eine Wesensziffer über Schärfe, Sensibilität, Unbefangenheit und Härte. Eine Reihe wütender Hunde nebeneinander an der Trasse erschöpft sich, sodass eine Komposition für die Hundetrasse erstellt wird. Der Wütende neben dem Gelangweilten oder Sanften, wo die Dynamik des einen den Gelassenen mitreißt.
Ein Hund scheuert seinen Ring durch, schwängert die Hündinnen entlang der Trasse. Doch trächtige Hündinnen schwächen das Wachpotential. Gegen ihren wochenbettbedingten Dienstausfall gibt es den Befehl den Wurf zu töten. Abgänge durch Erhängen am Laufseil oder altersbedingtem Einschläfern, werden ersetzt mit neuen Aussortierten.
Nach der Wende finden 1500 „Trassenhunde“ in Haushalten der DDR ein neues Zuhause, 2500 vermittelt der Deutsche Tierschutzbund in der Bundesrepublik. Niemals hat einer der Hunde einen Grenzflüchtling gebissen. Auf Befehl wären die Hunde sogar mitgegangen.
Text: Jenny Alten, gekürzt nach Scherer, Marie-Luise (2013): Die Hundegrenze. Matthes & Seitz Berlin Verlag.
>>> e n g l i s h
*Dogs don't cry (2023)
Dog runs were installed at the border fortifications of the GDR starting in the early 1960s as replacements and supplements for self-propelled guns and minefields.
A running rope system consists of a wire rope stretched man-high between two trestles, the running rope. Depending on the terrain, it was between 50 and 100 meters long. The two and a half meter long running line of the dog is connected to the running rope by a running pulley or a ring. Since the running line of the next dog immediately follows, but the dogs may not meet each other, stoppers or rope clips are attached before the respective end of the running rope. A footbridge, a tiny guarding gap is unavoidable.
In the morning, an army truck with feed and water tubs drives down the running ropes. After hot days, another water ration is to be distributed. However, this order is rather handled as a recommendation and personnel shortages of the border patrol are always solved at the expense of the dog squadron.
On patrols, the dog protects the border guard from having to shoot. This “Schutz und Fährtendienst”, a division of the GDR army, gives up its useless specimens for the running ropes. There they join the lonely ones, the ones not able to shoot and the broken ones. The dogs already running the rope are the defect specimens of dog breeding: the one-hound and the tooth defect. The minimum requirement: barking.
Each dog received a character number stating its sharpness, sensitivity, impartiality and hardness A row of angry dogs next to each other exhausts itself, thus creating a composition for the dog route is necessary: The angry next to the bored or gentle, where the dynamics of one carries away the serene.
A dog scrubs through his ring, impregnates the bitches along the route. But pregnant bitches weaken the guard potential. To lessen their week-bed loss of service, the litter is killed. Departures by hanging on the running rope or age-conditioned putting to sleep are replaced with new sorted out ones.
After reunification, 1500 “Trassenhunde” find a new home in households in the GDR, 2500 are placed by the German Animal Welfare Association in the Federal Republic. Never did one of the dogs bite a border fugitive. On command, the dogs would even have followed.
Text: Jenny Alten abridged from Scherer, Marie-Luise (2013): Die Hundegrenze. Matthes & Seitz Berlin Verlag.
Zusammengeflickt – Strasse des Friedens (2023)
Stoff, Vliesfutter, Nähgarn, Kabelbinder, Nylonschnur, LEDs 6500K, Reißverschluß
Größe variabel
presse
MAZ 05_07_2023
PNN 07_07_2023
Trigger Warnung: Dieser Text enthält Gewalt und Krieg.
Ukraine, Umkreis von Rawa-Ruska, August 1941. Das Lager in Bełżec war das erste von drei Vernichtungslagern der „Aktion Reinhard“, die allein zur physischen Vernichtung von Menschen bestimmt waren. Die drei Lager wurden in abgelegenen Gebieten errichtet und verfügten über Gleisanschlüsse, so dass eine große Zahl von Menschen ohne größeres Aufsehen dorthin gebracht und getötet werden konnte. Der Hauptgrund für das Stoppen der Tötungen war die Überfüllung der Massengräber. Nach der Verwesung drückten sich die Körper durch die Erdoberfläche ins Freie. Der Gestank war überall. Seit November 1942 wurden Leichen deshalb massenhaft exhumiert und auf großen Rosten aus Eisenbahnschienen verbrannt.Im Frühjahr 1943 wurden alle Spuren beseitigt, später wurde zur Tarnung ein Bauernhof auf dem Gelände angesiedelt.
Ukraine, Butcha, April 2022. Leblose Körper liegen auf der Strasse, werden aus Massengräbern geholt und neu begraben, das Geschlecht teilweise nicht mehr identifizierbar. Die Ermittler:innen werden durch ausländische Spezialist:innen unterstützt. Am 12. April treffen Forensiker:innen vor Ort ein und die Zahl der Toten wird revidiert. Recherchen der NYtimes identifizieren das 234. Regiment als eine Tätereinheit. Die Mörder benutzten die Mobiltelefone der Opfer, um damit in Russland ihre Familien anzurufen. „These killings were not random acts of violence but part of a methodical planned and lethal operation “ NYtimes, Dezember 2022.
Die Installation zeigt weiche, halbtransparente Stoffkörper, die übereinandergestapelt im Ausstellungsraum verblassen.
Bei der Herstellung der Leichen aus Stoff folge ich den Methodiken der Skalierung und optimiere den Prozess. Die Leichen aus möglichst einfach reproduzierbaren Einzelteilen herzustellen, reduziert deren Individualität. Im Prozess des Massenmordes geht es nicht um die Einzelne. Die Massenproduktion stumpft ab. Bei Leiche 32 denke ich nicht mehr daran, dass ich tote Menschen herstelle. Die Maschine rattert. Ich nähe nur noch Arme. Das Atelier wird zu einem Sweat Shop. Zwei Praktikantinnen bewerben sich. Sie kommen aus Odessa und Charkiv. Wir sprechen über die Bedeutung der Installation auf denglisch. Meine Tochter zeigt mir, dass ich in der Anton App, mit der sie Mathe lernt, auch Ukrainisch lernen könnte. Das wäre gut, aber ich muss mehr Leichen herstellen. Der Produktionsdruck führt zu Fehlern. Die Leichen gleichen nicht mehr eine der anderen. Die Füße werden viel zu klein.
Soll ich auch Kinderleichen herstellen? Bis zu welchem Alter ist man im Krieg noch ein Kind?
Darf ich das überhaupt? Ist das Aneignung? Insgesamt flicke ich eine winzige Menge Körper zusammen.
„Als sogenannter Lebensraum und Kornkammer stand die Ukraine im Zentrum von Hitlers kolonialer Expansion nach Osten und seinem damit verbundenen Vernichtungskrieg. Die deutschen Besatzer ermordeten in der Ukraine dreieinhalb Millionen Zivilist:innen, davon mehr als eine Million jüdisch. Weitere dreieinhalb Millionen starben als Soldaten der Roten Armee oder an Kriegsfolgen… Und doch lösten die ukrainischen Städtenamen, die nun in den Nachrichten auftauchten, kaum Assoziationen aus: … Mariupol: von der Wehrmacht in Schutt und Asche gelegt. Charkiv: in den Straßen der Innenstadt die aufgehängten Partisanen, tatsächliche oder vermeintliche; tagelang hingen die Leichen da, zur Abschreckung… Als Armenhaus Europas war die Ukraine bisher ein Reservoir billiger Arbeitskraft. …
Von den Menschen, die im Zweiten Weltkrieg aus der Sowjetunion zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt wurden, stammte mehr als die Hälfte aus der Ukraine, es waren etwa zwei Millionen, oft junge Frauen. Manche verstümmelten sich, um der Deportation zu entgehen. Blonde Bläuaugige waren auf einen Befehl Hitlers eigens für deutsche Haushalte zu liefern… An manchen Tagen kamen damals so viele deportierte Ukrainerinnen in Deutschland an, wie in jüngerer Zeit Geflüchtete.“ Charlotte Wiedemann 2022 in „Den Schmerz der anderen begreifen. Holocaust und Weltgedächtnis.“
Mit Rawa-Ruska verbindet mich mein Opa, der dort von August 1941 bis Februar 1942 Kreishauptmann war, als das Lager Bełżec am Rande seines Kreises ¬– nur 30 Autominuten entfernt – gebaut wurde und dort durch wochenlanges Experimentieren und „Probevergasungen“ Massenmord und Holocaust millionenfach möglich wurde.
>>> e n g l i s h
Patched together - Road of peace (2023)
Fabric, fleece lining, sewing thread, cable ties, nylon cord, LEDs 6500K.
Size variable
Trigger warning: this text contains violence and war.
Ukraine, Rawa-Ruska area, August 1941. The camp in Bełżec was the first of three extermination camps of "Aktion Reinhardt," designed solely for the physical extermination of human beings. The three camps were built in remote areas and had railroad sidings, so that large numbers of people could be taken there and killed without much fanfare. The main reason for stopping the killings was the overcrowding of the mass graves. After decomposition, the bodies pushed their way through the surface into the open. The stench was everywhere. Therefore, since November 1942, corpses were exhumed en masse and burned on large grates made of railroad tracks.
In the spring of 1943, all traces were removed, and later a farm was settled on the site for camouflage.
Ukraine, Butcha, April 2022. Lifeless bodies lie in the street, are taken out of mass graves and reburied, the sex partly no longer identifiable. The investigators are assisted by foreign specialists. On April 12, forensic specialists arrive on the scene and the number of dead is revised. Research by the NYtimes identifies the 234th Regiment as one of the perpetrator units. The killers used the victims' cell phones to call their families in Russia. "These killings were not random acts of violence but part of a methodical planned and lethal operation " NYtimes, December 2022.
The installation shows soft, semi-transparent fabric bodies stacked on top of each other, fading into the exhibition space.
Sewing corpses out of fabric, I follow methodologies of scaling and optimizing the process. Creating the corpses from individual parts that are as easily reproducible reduces their individuality. The process of mass murder is not about the individual. Mass production dulls. At corpse 32, I no longer think about making dead people. The machine rattles. I sew only arms. The studio becomes a sweat store. Two interns apply. They come from Odessa and Kharkiv. We talk about the meaning of the installation in “Denglish”. My daughter shows me that I could learn Ukrainian in the “Anton” app she uses to learn math. That would be good, but I need to make more bodies. The pressure of production leads to mistakes. The corpses no longer resemble one another. The feet are getting way too small.
Should I also produce children's corpses? Up to what age is one still a child in war?
Am I allowed to do that at all? Is that appropriation? All in all, I cobble together a tiny amount of bodies.
"As a so-called Lebensraum and granary, Ukraine was at the center of Hitler's colonial expansion eastward and his associated war of extermination. The German occupiers murdered three and a half million civilians inside Ukraine, more than a million of them Jewish. Another three and a half million died as soldiers of the Red Army or as a result of the war... And yet the Ukrainian city names that now appeared in the news hardly triggered any associations: ... Mariupol: reduced to rubble by the Wehrmacht. Kharkiv: in the streets of the city center the hanged partisans, real or supposed; for days the corpses hung there, as a deterrent... As the poorhouse of Europe, Ukraine had hitherto been a reservoir of cheap labor. ... Of the people who were deported from the Soviet Union to Germany for forced labor during World War II, more than half came from Ukraine; there were about two million of them, often young women. Some mutilated themselves to escape deportation. Blond-eyed ones were to be delivered on an order from Hitler specifically for German households... On some days, as many deported Ukrainian women arrived in Germany at that time as refugees in more recent times." Charlotte Wiedemann 2022 in "Understanding the Pain of Others. Holocaust and World Memory."
I am connected to Rawa-Ruska by my grandpa, who was the district governor there from August 1941 to February 1942, when the Bełżec camp was built on the outskirts of his district ¬- only a 30-minute drive away - and where weeks of experimentation and "trial gassings" made mass murder and the Holocaust possible by the millions.
ORAKEL (2021)
Installation am Baupresse
MAZ 24_06_2021
PNN 25_06_2021
Leerstehende Etagen mit Blick aufs Wasser: ehemals genutzt von der Softwarefirma oracle nun als Sinnbild für die Notwendigkeit der Veränderung: Der auf Wachstum basierende Kapitalismus und seine Aneignung der Umwelt als Ressource sind an einen Wendepunkt gekommen. Wir Menschen können nur dann überleben, wenn wir die Umwelt, andere Spezies aber auch Objekte, Pflanzen und Maschinen einbeziehen.
Die Leerstelle zwischen der Nutzung als Büroturm wird besiedelt von einem organisch wachsenden Rhizom, das über eine neue Verflechtung der Menschen mit den Pflanzen, eine Überschreitung der Grenzen von Objekt und Lebewesen spekuliert.
Nachts von innen beleuchtet pulst das leere Gebäude organisch, während tagsüber was nachts hell scheint, strahlt jetzt dunkel. Das Kunstwerk zwischen Lichtinstallation, Malerei und Chimärenschau verändert sich über den Präsentationszeitraum.
>>> e n g l i s h
Vacant lofts with a view: what used to be humming cubicles of software company Oracle, now becomes a symbol for the need to adapt. Growth-based capitalism and it’s appropriation of nature as a resource has come to a tipping point: humans will only survive if we cooperate with plants, objects, species and machines.
The blank between two cycles of cubicle tenants will be inhabited by an organically growing rhizom that speculates on a new entaglement of humans and plants transgressing the membranes of objects and living species.
While pulsing organically as a light installation at night, at daytime inversly the bright lit roots become black structures in the painting on the glass windows.
The work oscilates between light installation, painting and chimera show, transforming over the duration and terminating by the occupation of the space by a new tenant.